Unterhaltung am Parkett …

Burgtheater, Reihe 7. Nestroys „Einen Jux will er sich machen” soll bald beginnen.

Ein artig gekämmtes Töchterchen mit Handtasche folgt seinem Herrn Papa zu seinem Platz und grüßt brav alle, die den „Herrn Medizinalrat“ Papa grüßen. Eine Dame hüpft herbei, meldet ihren baldigen Auftritt in der Praxis des Alten an und reserviert sich Töchterlein für ein Pausengespräch mit Sekt. Die lässt sich auf die gesellschaftliche Verpflichtung ein.

Links von mir sitzen zwei Kulturbeflissene, die dem Herrn Pfarrer daneben erzählen, dass der Onkel auch Geistlicher war, und sie sind sich dann alle einig, dass „der Hackl” immer gute Vorstellungen liefert.

Jetzt erst beginnt das wirkliche Theater, und „derHackl“ ist in der Tat ein Genuss. Er steigt gleich zu Beginn in einen (Theater-)Hundedreck, schabt seinen Schuh angeekelt an der Bühnenkante zum Orchestergraben ab, woher dann auch die Stimme kommt: „Geh, foa oh, du Saul”!

Das Publikum reagiert erschreckt verhalten, der Lacher ist erzogen und mäßig, ich nehme mich brav zusammen und hebe mir mein Amusement für den Heimweg auf, wo ich endlich ganz frei und herzhaft über die gepöbelten Worte am ungewohnten Ort lache – ich bin ja leider auch erzogen.

Doch schräg von mir erfrecht sich einer und platzt jetzt schon laut hinaus. Um der Etikette zu entsprechen, wird er von seinen Sitznachbarn durch Blicke und „schschscht” gewarnt und benimmt sich dann auch. Ob Nestroy das so wollte?

Kulisse, ein Kabarett-Theater, ohne Reihen. Das bunte Publikum sitzt an simplen Klapptischen, raucht und trinkt. Kommt ein Bekannter, ertönt ein lautes „eeeeeh!” Die Töchterlein sind froh, dass der Herr Papa im Burgtheater sitzt und lassen die Sau raus. Aber auch ohne Musik ist es so laut, dass man nur weiß, was man gerade gesagt hat, wenn man es sich vorher gut überlegt und nur mit wenig Alkohol über die Lippen gebracht hat.

Alfred Dorfer zeigt sein Pogramm „Badeschluß” zum letzten Mal. Viele Pointen versteht man nicht, weil noch viele wegen des letzten Schmähs lachen; und wer dann nur dumm schaut, wird von den Lachern nochmal ausgeäppelt, weil der anscheinend nichts verstanden hat, bis Dorfer endlich selbst ein „Schschscht” durchs Mikrofon schickt. Man darf sich im Publikum nicht ansehen, denn sonst muss man über den Anblick der anderen lachen und versteht wieder nichts vom Dorfer (diese Dynamik kennt man auch von früher in der Schule, als die Dorfers unsere Lehrer waren).

Nach dem Abgang des Kabarettisten wird weitergezecht bis vier Uhr früh und Dorfer ist so zufrieden wie die Betreiber der Kulisse.

Immer wieder kann ich mich freuen, dass „Wiens Kultur“ so vielseitig ist. Aber die allergrößte Show bietet – im Burgtheater wie in der Kulisse – immer noch das Publikum.

Publikum
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Ein Führender, der nicht kommunikationsfähig ist, genießt kaum Vertrauen.”
Baldur Kirchner, Manager Coach (*1939)
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