Mental Load

Online-Seminar: „Effizienter werden!“ Donnerstag, 19 Uhr, zoom-Link folgt

Raus aus der Arbeit, hoffentlich startet die Karre. Schon wieder das Passwort geändert. Darf ich nicht vergessen. Katzenstreu bestellen. Dieser Gartenzwerg. Weiß nicht, was ich den ganzen Tag in der Arbeit mache. 10.000 Euro Förderung erschrieben, für sein Institut! Mehr, als ich in den Monaten verdiente. Na ja, eh, wie auch, halbtags.

Haben wir noch Eier? Ich muss zur Schule, der Direktor will ein Gespräch. Wichtigmacher, eh alles in Ordnung. Geh ich halt buckeln, wenn er das braucht. Eier. Nicht vergessen. Der Gartenzwerg braucht auch Eier, aber andere. Das Bild auf facebook, wie er grillt, der Hausmann. Super. Und noch nie eine Mahlzeit für eine ganze Familie auf den Tisch gestellt.

Nein, geht sich nicht aus, hier könnte ich die Eier kaufen, aber kein Parkplatz, und wenn ich jetzt suche, verpasse ich den Termin. Online-Seminar heute Abend nicht vergessen. Effizienter werden ist immer gut.

Und schon wieder habe ich es nicht geschafft, den Augenarzt anzurufen.

Das Passwort. Erinnere Dich an das Passwort. Soll ich die Laptoptasche im Auto lassen? Kofferraum.

Nach dem Termin Eier kaufen. Und einen Timer stellen, für morgen, Augenarzt anrufen.

***

Daheim. Kinder gehen ins Zimmer. Direktor gehuldigt. Alles schon x-Mal gehört, ja, aber natürlich, ja, Sie sind enorm wichtig. Haben Sie schon mal gekocht für eine ganze …

Timer für den Augenarzt nicht vergessen.

Erst aufs Klo, atme, eine Sekunde allein. Katzenstreu am Boden. Gleich aufsaugen. Katzenstreu bestellen! Mist, der Sauger-Akku schon wieder leer. Anstecken. Kann ja den großen Sauger holen.

Aber zuerst in die Küche mit den Eiern. Butter hätte ich auch kaufen sollen, ach was, morgen Wocheneinkauf. Ausräumen. Backofen an, Kühlschrank auf. Küchenmaschine rührt den Teig. Was koche ich?

Laptoptasche immer noch im Kofferraum. Mist. Zuerst holen, schnell, die Kollegin meldet sich bestimmt.

Nudeln. Wasser aufstellen. Schokolade in den Teig. Der Gartenzwerg, der grillt. Und seine Eier.

Am Tisch Brösel. Kann denn keiner außer mir mal – egal, schneller gemacht als gesagt und gewartet, bis es passiert. Ah ja, Katzenstreu im Bad. Gleich, das Wasser kocht, Nudeln rein. Wenn ich jetzt nur unbedarft warten könnte, bis es wieder kocht, und dann … nimm halt den Fetzen in die Hand, irgendwas ist immer zu wischen. Nein, das geht sich aus: jetzt schnell die Laptoptasche holen.

Das Auto gehört auch wieder einmal geputzt. Hat der Direktor etwas gesagt, an das ich mich erinnern muss? Nein, er schickt das Formular, dann nur schnell ausfüllen und zurück. Dafür eine Stunde vertan! Mache ich dann mit der E-Mail. Katzenstreu nicht vergessen, kann ich dann auch gleich bestellen.

Laptoptasche beim Arbeitszimmer abstellen. Küche, Nudeln kochen fast über, jetzt aber zum Staubsauger. Der Teig! Kuchenform ausfetten, Mehl rein, Teig dazu, ab in den Ofen. Jetzt. Aber jetzt. Staubsauger.

Wer hat seine Schuhe wieder mitten im Gang – Mach’s halt, stell sie ordentlich hin, willst ja staubsaugen. Den Akkusauger hol ich aber noch aus dem Bad und steck ihn hier an. Muss mich endlich um die zweite Steckdose im Bad kümmern, und dann den Sauger dort aufladen. Derweil eben im Wohnzimmer. Den großen Sauger gleich hier stehen lassen.

Hier schaut’s auch aus. Ob es Mama besser geht? Muss nachher anrufen. Decken zusammenlegen, der Tisch gehört auch gewischt.

Ach! Kuchentimer nicht eingestellt! Wie viel Zeit ist seither vergangen? Die Nudeln sind auch fertig, Gott sei Dank mögen die Kinder das Pesto im Glas. Salat wäre auch wieder einmal gut.

„Kinder, Tisch decken!“ Timer! Fünfzehn Minuten sind bestimmt bereits vergangen. Stell ich eben auf 45 statt auf 60 Minuten. Der Kuchen wird’s vertragen. Müssen.

Da bekommt der Gartenzwerg eine Quartalspräsentation mit solchen Ergebnissen und fragt danach laut, was ich überhaupt mache. Was macht eigentlich der, warum präsentiert der seine Ergebnisse nicht? Weil man ihn dann auch fragen würde, was er den ganzen Tag in der Arbeit macht? Erzieht der Kinder nebenbei? Nebenbei! Verzichtet der auf die Hälfte seiner Pension? Da erziehe ich drei prospektive Steuerzahler, gut auch noch, sagt auch der Direktor, danke, dazu musste ich heute eine Stunde sitzen und beflissen tun, und während meine gut Erzogenen in zwanzig Jahren brav Steuern zahlen, kann ich dann mit meiner Mindestpension denen zusehen, die ihr Leben lang nach der Arbeit Freizeit haben und nichts als Grillen im Sinn haben und ohne Eier arbeiten können, wann und wie lang sie wollen, um eine gute Pension abzusahnen – Katzenstreu.

Noch ist kein Formular gekommen. Direktor sitzt sicher am Mittagstisch. Was sonst noch, wenn ich jetzt schon am Schreibtisch stehe? Überweisen? Nein, Staubsaugen. Nachher. Der Augenarzt ist sowieso am Nachmittag nicht erreichbar. Mama sollte ich anrufen.

Nein, die Nudeln. Jetzt essen wir. Noch schnell die Liste: Formular, E-Mail Kollegin, Katzenstreu. Mama. Butter. Das auf den anderen Zettel. Gute Nudeln. Nudeln auch auf die Einkaufsliste! Und Salat!

***

„Und Kinder, wie war euer Tag in der Schule?“

***

Jetzt hinlegen. Könnte ich ja, ich arbeite nur halbtags. Aber zuerst Staubsaugen.

Ach, die Waschmaschine, ganz vergessen, gleich im Keller aufhängen, zuerst die trockene Wäsche abnehmen, man kann nicht alles gleichzeitig machen.

Timer geht los. Was, jetzt? Augenarzt? Nein, der Kuchen. Schnell fertig die Wäsche aufhängen, dann gleich. Nicht vergessen. Rauf, raus mit dem Kuchen, fertig. Morgen kommen Gäste, Geburtstag. Bin müde. Hab ich alles? Egal, Wocheneinkauf gleich nach der Arbeit. Einkaufsliste befüllen, Kühlschrank checken. Die wollen sicher Schlagsahne. Liste. Mama anrufen.

Zuerst noch schnell die Teller vom Mittagessen in den Geschirrspüler. Schon wieder voll. Strom sparen, in der Nacht laufen lassen? Keine Zeit, bis zum Abend Geschirr zu spülen.

Schreibtisch jetzt, E-Mail. Kein Formular, also Katzenstreu. Ach, und so viele Mails, schnell drüberlesen, das Meiste löschen, eins aufheben, hoffentlich vergesse ich das nicht. Da, das Formular. Ausfüllen. PDF. Ah, konvertieren. Mühsam, kann der Computer das nicht einfach automatisch tun?

Derweil hol ich den Staubsauger. Eingesteckt, da steht er, PDF konvertiert, gleich schnell ausfüllen. Nein, lass Dir Zeit: exakt hier, genau durchlesen, da, ich hab’s gewusst! Weg mit dem Tippfehler, wieder in PDF konvertieren, wieder ein Tippfehler, nochmal. Das ist, was ich in meiner Arbeit mache und womit ich für Deine Abteilung mehr als mein Gehalt generiere, Gartenzwerg. Muss effektiver werden. Online-Seminar heute Abend, ganz wichtig.

E-Mail der Kollegin. „Nein“, „ist nicht so“, „bleib cool“. Trost.

Läuft der Geschirrspüler? Gleich fertig. Nächste Wäsche in die Maschine. „Mamaaaa!“ – klar helfe ich Dir, ja, hier ein Beistrich und den Satz würde ich anders schreiben. So zum Beispiel. Trost-E-Mail an die Kollegin fertig. Was noch? Katzenstreu. Hab ich den Timer für den Augenarzt? URL vom Online Seminar eingeben. Echt wichtig, das, heute.

Jetzt endlich Staubsaugen. Vom Hundertsten ins Tausendste. Ich bemühe mich, „Mamaaaa!“

Butter nicht vergessen. Katzenstreu kommt übermorgen an. Augenarzt. Konzentrier Dich auf eines, ja, es wären mehr Arzttermine auszumachen. Nächste Liste: Gesundenuntersuchung. Kind-Muttermal-Check. Augenarzt. Mama fragen, was sie braucht. Abgelaufene Medikamente endlich in die Apotheke!

Wäsche fertig, nochmal runter, aufhängen. Das wievielte Mal fahre ich heute mit dem Lift die acht Stockwerke rauf und runter, oder runter und rauf? Sicher schon vier Mal … „geh doch zu Fuß, das wäre das beste Training!“ – Ja klar, mit dem Wäscheschaffel, mit den Einkäufen, mit dem Kuchen und den Taschen und das sechs Mal allein bis zum späten Nachmittag.

Geschirrspüler ausräumen. Was haben die früher gemacht, waren die ruhiger, weil sie händisch abwaschen mussten? Wie es Mama geht. Der Balkon gehört geputzt. Überweisen sollte ich auch noch, am Abend dann, vielleicht während des Online-Seminars. Nicht vergessen. Jetzt Abendessen machen. Ich bin so müde, und dabei ist es noch nicht mal für die Kinder Zeit, ins Bett zu gehen.

***

Die eine E-Mail noch schnell, Kinder räumen den Tisch ab. Übrigens, stellt bitte Eure Schuhe ordentlich hin! „Kannst Du mir das noch unterschreiben?“ Gleich. Kann ich’s noch schnell durchlesen? Dann die Überweisungen. „Hast Du Katzenstreu bestellt?“ Ja, glaube schon. Nicht nachhaltig. Augenarzt anrufen, nicht vergessen! Kuchen morgen überziehen. Zu spät, Mama anzurufen.

Ich will ins Bett, Stille.

„Mamaaaa!“

Online-Seminar verpasst.

Unendlich müde. Hoffentlich will er heute keinen Sex.

Mental Load
To bring freedom to mankind means to get them to talk to each other.”
Karl Jaspers, dt. Philosoph (1883-1969)
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