Schneeflockenchaostheorie …

Vor einigen Tagen ereilte Wien ein schwerer Schicksalschlag; nachdem alle Straßen bereits seit langem aper und meist trocken waren, nachdem in den Nobelbezirken sogar schon der Split samt Hundedreck weggefegt worden war, erfrechte „es“ sich, zu schneien.

Das Auto war schnell von der ungewohnten Last befreit, aber meine Füße wurden dabei in den doch schon leichteren Schuhen etwas nass. Egal, dachte ich mir, innerhalb von einigen Stunden würde die Wärme den Schnee sowieso aufgefressen haben, meine Socken würden unter dem Bürotisch trocknen und ich abends sicher mit trockenen Sohlen zu Hause ankommen.

Auf meinem Weg sah ich einige Dickvermummte, die gerade dabei waren, ihre Autos vom Weiß zu säubern. Ich hatte sogar genügend Gelegenheit dazu, diese Halbverfrorenen länger zu beobachten, da meine Höchstgeschwindigkeit trotz Winterreifen nie mehr als 30 km/h betrug. Nicht etwa, weil ich so vorsichtig war, sondern weil das Verkehrschaos die Straßen lahmlegte. Ich lachte in Gedanken, als ich mir die Verwirrung vorstellte, die wegen des Schnees im Rathaus herrschen musste, wo jetzt sicher alles hektisch war ob der unerwarteten Erschwerung.

Trotzdem kam ich pünktlich im Büro an und dachte noch an ein Gespräch mit einer Kollegin, die mir vor einigen Wochen allen Ernstes erklärt hat: „Ich montiere NIE Winterreifen, und das geht immer gut, denn in der Stadt liegt sowieso nie viel Schnee. Nur letztes Iahr hatte ich am letzten Schneetag einen Unfall mit Totalschaden, weil mein Auto einfach weggerutscht ist…“. Klar, das Auto war schuld.

Mein erster Termin verschob sich gleich um eine Stunde, da mein Gesprächspartner aus Mödling stammt und den Weg durch den subjektiven Schneesturm, der ja – fast – geradezu ein Orkan war, nicht schneller bewältigen hatte können.

Da musste ich nun schon schmunzeln. Wie wäre das in Vorarlberg, wenn man ob einer Schneedecke von 15 cm die Nerven verlöre? Die Wirtschaft würde wohl den ganzen Winter über stehen, keiner wäre fähig, auch nur einen einzigen Termin wahrzunehmen.

In Wien heißen 15 cm:

Verkehrsstau und Höchstgeschwindigkeiten von 30 km/h selbst mit Winterreifen, denn das Gebot der gruppendynamischen Hysterie lautet: „Du sollst nicht schneien oder regnen, wenn ich unterwegs bin!“

Wahrscheinlich deshalb werden die meisten Wiener panisch, wenn das Unwetter Unerwartetes bringt – weil Niederschlag für sie im wahrsten Sinne des Wortes einen Niederschlag bedeutet.

Der Tag war sonnig und warm und ich bedauerte, keine Zeit zu haben, aus diesem herrlich pappigen Schnee noch schnell einen Schneemann zu bauen, denn als ich das Büro verließ, war zwar alles nass, Schnee jedoch nur noch am Straßenrand oder auf unbenützten Autos zu sehen.

Trotzdem muss man der Stadt Wien bzw. den Männern im Rathaus ein großes Lob für ihre Reaktionsfreudigkeit aussprechen. Sie haben es zwar den ganzen Winter über kaum einmal geschafft, rechtzeitig auf Schneemassen zu reagieren, doch als ich ins Auto stieg, sah ich gleich drei Männer in der leuchtend-orangen Stadtuniform mit Schaufeln in der Hand. Die hochoffiziellen Schneeräumer hatten sichtlich dem bösen, bösen Frühlingsschnee den Kampf angesagt und waren brav dabei, hier und dort ein Häufchen des Feindes zu beseitigen, indem sie mit gewaltigen Schneeschaufeln auf die Haufen klopften und sie so in Matsch verwandelten. Ein bisschen erinnerte mich das an frühere Sandkastenspiele.

Und auch am nächsten Tag schien in Schilda – äh, Wien – ohnehin wieder die Sonne.

Chaos
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Novalis, dt. Dichter (1772-1801)
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