Im Kriminal …

Seit ich in Wien halbwegs integriert bin, schwirrt „Josi“ in der Peripherie meines Bekanntenkreises herum. Ich hatte von meinen Freunden schon lange von ihm gehört, weil er als interessanter „Wilder“ galt: er kannte den „Häfn“ von innen und hatte den leichten Touch des Abenteuers.

Beim Einparken hätte ich an einem kalten Abend im Jahre Schnee gerne mit einem geschimpft, der allzu rücksichtslos zwei der raren Parkplätze mit seinem Auto besetzte, daneben stand und mit seinem Handy telefonierte. Ich suchte mir trotzdem lautlos einen anderen Parkplatz, musste aber auf meinem Weg an dem Typen vorbei. Und hatte ein mulmiges Gefühl – und war froh, mich nicht mit ihm angelegt zu haben. Ein paar Minuten später wurde genau dieser Mann mir als der berühmt-berüchtigte Josi vorgestellt.

Irgendwie übte Josi eine Faszination auf meinen Bekanntenkreis aus und dementsprechend kursierten „Gschichtln“ über ihn. Er sei bei seinem Großvater aufgewachsen, der sehr streng gewesen sei: wenn er sich in der Schule geprügelt habe, sei er zu Hause noch einmal geschlagen worden – aber nur dann, wenn er in der Schulkeilerei verloren habe.

Also schien es logisch, daß er mit sechzehn schon im Gefängnis saß, weil er angeblich bei einer Rauferei jemanden verletzt habe. Tödlich halt.

Das war mir alles ziemlich unkoscher. Dieser Josi interessierte mich nicht, weil ich einfach nichts fand, das uns auch nur irgendwie verband. Er war mir nicht geheuer und ich sollte mit meiner Einschätzung über ihn Recht behalten. Trotzdem lauschte ich den Abenteuerstories über ihn: Es hieß, er habe zwei Frauen – die eine erledige den Haushalt, die andere stehe am Gürtel und verdiene den Lebensunterhalt. Alle waren neugierig und ich ließ mir erzählen, wie die beiden aussahen („Du Würdest NIE vermuten, daß DIE in Strapsen ausgerechnet für den grobschlächtigen Josi etc., etc.“).

Josi war auch nie jemandem ein guter Freund. Galt es, zu helfen, musste er zur Beerdigung seiner Großmutter, die, seit ich das Gerede um ihn herum kenne, bereits dreimal gestorben ist: einmal in seiner berühmten Kindheit, dann, als er einen Termin versäumte, der einem Bekannten sehr wichtig gewesen wäre und dann gleich vier Wochen darauf, als er ein geliehenes Auto hätte zurückbringen sollen.

Nun aber kann ich das vorläufig letzte „Gschichtl“ über ihn erzählen: ein Bekannter war mit ihm in Salzburg unterwegs, als eine Polizeistreife die beiden aufhielt. Die Personalien wurden überprüft, und als sie Josis Register bekamen, wurden die Beamten nervös: „Sie sind Josi X alias „der Maler“ alias „Laberder“ alias …?“

Meinem Freund flatterten die Knie, als die Beamten nach den „Waffen“ suchten, denn Josi war laut Meldung gefährlich. Die ganze Szene spielte sich auf dem Parkplatz eines Einkaufszentrums ab und das Publikum war wahrscheinlich dankbarer als mein armer Freund, der das Abenteuer mit seinem immer noch ärmeren Freund Josi teilte.

Denn Josi sitzt wieder. Weil er angeblich seiner „Freundin“, und zwar der, die ihm als Gegenleistung für seinen Schutz einen Teil ihres Verdienstes abgab, eine Ohrfeige verpasst habe.

„Wegen einer Watsche geht man in Österreich schon sitzen?“, war meine harmlose erste Frage. „Nein, aber Josis Vorstrafenregister …“, war die Antwort, denn Josi war, wie sich herausstellte, zu der Zeit gerade wieder wegen eines Totschlags auf Bewährung, hatte einige Einbrüche und Überfälle verübt und wurde wegen der „Watschn“ nun wieder verdonnert.

Ich warte nur darauf zu erfahren, wer ihn aller in seinem neuen Heim besucht (vielleicht mit einer Feile im Kuchen?). Aber, wie man sieht: Josi ist immer noch eine Story wert. Sogar, wenn man ihn nur einmal getroffen hat.

Erlebt man sowas wirklich nur in einer Großstadt?

Josi sitzt wieder
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Minds are like parachutes. They only function when they are open.”
Sir James Dewar, Wissenschaftler (1877-1925)
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